#16 Der Recall (Das zweite Sichtungstraining)

Das erste Training bei Borussia Dortmund war also vorbei und hatte bei meinem Kleinen irgendwie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. "Papa, darf ich noch mal bei Dortmund mit trainieren?" fragte er mich bereits am Tag danach. "Möchtest du denn?" wollte ich wissen und er nickte heftig mit glänzenden Augen. "Wir werden es bald erfahren." sagte ich daraufhin.

 

Ca. 2 Wochen später bekamen wir dann den Telefonanruf und der Dortmunder Trainer teilte uns mit, dass Leo positiv aufgefallen und zu einem weiteren Training eingeladen ist. Ehrlich gesagt, hatten wir gar nicht mehr damit gerechnet. Ich persönlich hätte es auch nicht schlimm gefunden, hatte Leo doch beim ersten Training schon eine wichtige Lektion gelernt. 

Nun war die Freude allerdings umso grösser und diesmal bedurfte es keinerlei Überredungskünste mit ihm nach Dortmund zu fahren.

 

Ich gebe mich keinen Illusionen hin und obwohl ich natürlich immer nach der besten Förderung für meine Kinder strebe, versuche ich mich mit meinem Ehrgeiz zurückzuhalten und keinerlei Druck auszuüben. Also bestärke ich ihn während der Fahrt in seinen Fähigkeiten und sage ihm, dass er Spass haben soll und dass ich ganz genau weiss, dass er auf dem Feld die richtigen Entscheidungen treffen wird. Das Kind soll Vertrauen spüren, keinen Druck. Ich will nicht der Grund sein, dass er womöglich später mal die Brocken hinschmeisst und keinerlei Lust und Spass mehr an diesem Sport empfindet, nur weil sein Vater ehrgeiziger war als er selbst. Also bin ich entspannt und sage mir, wenn er weiter kommen soll, dann wird er weiterkommen, wenn nicht, dann nicht. Der liebe Gott hat seinen eigenen Plan.

 

Wir kommen also am Dortmunder Trainingsgelände an und nach einer kurzen Ansprache des Trainers, geht es für die Kinder auf den Platz. Diesmal sind noch ungefähr 20 Kinder dabei. 

 

Der Trainingsablauf ist in etwa wie der im Januar. Kurze Aufwärmphase, Koordinations- und Fangspiele, später werden Teams aufgestellt.

 

Bis hierhin läuft eigentlich alles ganz gut. Dann stelle ich beim ersten Spiel allerdings fest, dass mein Kurzer nicht wie sonst immer auf gewohnter Linksaussen-Position spielt, sondern auf der Position des rechten Verteidigers. Erst dachte ich:" Na gut, wenn er meint." Allerdings spielte er auch im 2. und im 3. Spiel auf eben dieser Position und ich wurde immer unruhiger. Dann war das Training vorbei und seine Stärken, die er normalerweise Woche für Woche im Vereinstraining und bei den Spielen und Turnieren zeigt, waren kaum zu erkennen. Irgendwie enttäuschend.

 

Auf dem Weg zum Auto fragte ich ihn, warum er denn heute Rechtsverteidiger und nicht Linksaussen gespielt habe.

Und er antwortete mir:" Papa, ich wollte das mal ausprobieren. Man muss im Leben alles mal ausprobiert haben und auf alles vorbereitet sein." Im ersten Moment antwortete ich: " Ausprobieren kannst du so etwas doch im Vereinstraining, aber nicht hier." Doch im zweiten Moment wich meine Enttäuschung eher einer Art Amüsiertheit und ich dachte nur: "Was für ein cooler Typ. Ein toller Junge."

 

Zwei Wochen später klingelte wieder das Telefon, doch diesmal sagte man uns, dass es nicht gereicht hätte. Welch eine Überraschung, dachte ich und nahm die Absage mit der gleichen Amüsiertheit hin, die ich noch vor 2 Wochen empfunden habe. Leo hingegen war doch etwas geknickt.

Doch ich weiss ganz genau, dass er alles erreichen kann, wenn er es wirklich will.  Und auf dem Weg dorthin, werde ich ihn nach Kräften unterstützen. 

 

Was hatte der Trainer den Eltern noch beim ersten Training glaubhaft vermittelt: "Glauben Sie mir, heute werden keine Karrieren entschieden." Wie Recht er hat. Die Jungs haben noch viel Zeit und viele Chancen liegen vor ihnen.